Wie es ihm gefällt
Save the planet, kill yourself: Chris Korda und seine Kirche der Euthanasie im Maria
Jörg Sundermeier
Taz, Kultur, S. 23
Sein Publikum hat
Beunruhigendes zu erwarten: Wenn Chris Korda am heutigen Abend im Maria
am Ostbahnhof auftritt, dann wird er gleichzeitig auch um das Ableben
der Versammelten bitten – der Erde zuliebe. Dabei wird er dann
freundlich und verbindlich unter seiner Perücke und hinter seiner
Sixties-Brille hervorlächeln und irgendwie aussehen wie Heinz Rühmann
als „Charleys Tante“. Allerdings ist bei Korda das Crossdressen ohne
sexistische Albernheiten zu verstehen, lediglich in der Auswahl der
konservativen Kleider blitzt Ironie auf.
Dieser Mann will nicht als „Mann“
verstanden werden. Das System „Mann“ ist Korda verleidet, da der Mann
der größte Vernichter von Lebewesen ist. Und gerade diese Vernichtung
der Erde gilt es zu stoppen. „Save The Planet – Kill Yourself“ ist das
Motto der von ihm gegründeten Church Of Euthanasia, der Korda als
Reverend vorsteht. Diese in den USA anerkannte religiöse Gemeinschaft
hat es sich zum Ziel gesetzt, die permanente Ausbeutung der Natur durch
den Menschen zu beenden. Das Versprechen, sich nicht fortzupflanzen, ist
dementsprechend die Bedingung zur Aufnahme in die Kirche, andere
Voraussetzungen muss man nicht erfüllen.
So tingelt Korda übers Land und
verteilt Aufkleber, auf denen er höflich bittet, das nächste Mal, wenn
man betrunken Auto fährt, sich doch einfach nicht anzuschnallen. Und wie
alle aktiven Veganer vergleicht er flapsig die Massentierhaltung mit
dem Holocaust. Und diskutiert durchaus ernsthaft darüber, ob der
Holocaust als Methode zur Verringerung der Menschheit tauge. Das ist
antisemitisch und dumm, und der von Korda angeführte Verweis, er selbst
sei Jude, hilft ihm da nicht. Korda inszeniert via Medien geschickt
Provokationen und Aktionen („Boring Propaganda doesn't work“ ist ein
anderes Motto), glaubt aber im Grunde an ein „ursprüngliches“ und
unvermitteltes Leben. Dass diese Idee jedoch selbst eine mediale
Fantasie ist, fällt ihm nicht auf.
Die Mängel allerdings, die der
Theoretiker und Aktionskünstler Korda aufweist, hat der Musiker Korda
nicht. Seine an Pink Floyd oder Art-Rock geschulte Elektrosounds sind
einerseits wunderschön verspielt, andererseits durch die Verwendung von
Sprachsamples aus seiner Kirche tatsächlich Meisterleistungen moderner
Propaganda. Wer sich also nicht um Kordas Politik schert, kommt auf
seine Kosten. Wie es Korda gefällt, wird es heute Abend alles andere als
langweilig.
Ab 22 Uhr, mit EgoExpress und DJ Koze, Maria am Ostbahnhof
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