Church of Euthanasia

The One Commandment:
"Thou shalt not procreate"

The Four Pillars:
suicide · abortion
cannibalism · sodomy

Human Population:
SAVE THE PLANET
KILL YOURSELF




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Interview with Chris Korda


By Thilo Schneider

Bitte stelle dich vor.

Ich grüße dich. Wir sind nicht von diesem Planeten.

Das letzte Chris-Korda-Album für Perlon, Apologize To The Future, widmete sich zentralen Themen wie Klimawandel, Antinationalismus und wirtschaftlicher Ungleichheit – Themen, für die du bereits seit den frühen 90er Jahren mit provokanten Aktionen und Slogans wie Save The Planet, Kill Yourself zu sensibilisieren versuchst. Wie blickst du heute auf deine aktionistischen Anfänge zurück?

Wahrscheinlich hast du in der Spermien- und Eizellenlotterie gewonnen und damit einen Platz in der ersten Reihe beim Bankett des Lebens erhalten. Wenn die Zivilisation dich mit Geschenken überhäuft hat, darunter auch Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse, hast du die moralische Verpflichtung, etwas zurückzugeben. Persönliche Veränderungen sind ein guter Anfang, aber sie werden nicht ausreichen. Wir haben zu viel Zeit verschwendet und zu viel Kohlenstoff verbrannt, und jetzt haben nur noch die Institutionen die Macht, das menschliche Verhalten schnell genug zu ändern, um etwas zu bewirken. Geht voran und infiltriert unsere Institutionen. Wir können immer noch eine langlebige Spezies werden, aber nur, wenn wir uns darauf einigen, dass dies das Ziel ist und entsprechend handeln.

Was ist eigentlich aus der Church of Euthanasia geworden, deiner Bevöl- kerungswachstums-kritischen Bewegung? Viele deiner Aktionen von damals sind im heutigen politischen Klima nur noch schwer vorstellbar.

Die Church of Euthanasia ist größer denn je, und ihre Bedeutung hat seit ihrer Gründung im Jahr 1992 nur noch zugenommen. Sie gewinnt in ganz Europa, insbesondere in Frankreich, immer mehr Mitglieder. Ihre Taktik hat sich sicherlich geändert – was nach dreißig Jahren nicht überrascht –, aber ihre Kernideologie ist die gleiche geblieben. Die Church setzt sich nach wie vor für eine frei- willige Bevölkerungsreduzierung ein und verlangt von ihren Mit- gliedern ein lebenslanges Gelübde, sich nicht fortzupflanzen. Durch die Eliminierung potenziell unendlich vieler Nachkommen verkörpern die Church-Mitglieder die Grenzen des Wachstums und sühnen ihre Umweltsünden. Sich selbst aus dem Genpool zu entfernen, ist der ultimative Kohlenstoffausgleich.

In den letzten Jahren ist viel über die Repolitisierung der Clubmusik und ihrer Räume diskutiert worden, oft unter dem Gesichtspunkt der Identität. Wie stehst du zu diesem Diskurs?

Der weit verbreitete Konsum von dissoziativen Drogen deutet auf zunehmende Gleichgültigkeit und Nihilismus hin. Es ist unwahrscheinlich, dass die Betäubung politisches Engagement fördert. Es ist kein Zufall, dass sich die Blütezeit der Clubkultur genau mit der Vorherrschaft des Neoliberalismus überschneidet. Das strukturierte Tanzen, das von Natur aus kollektiv ist, wurde weitgehend durch individualistisches Tanzen verdrängt (ein Beispiel dafür ist Billy Idols „Dancing With Myself“), und das ist symptomatisch für den schwindenden sozialen Zusammenhalt. Es ist verständlich, dass die Menschen der Realität entfliehen wollen, da die Zukunft immer düsterer wird, aber die Konzerne werden diese Passivität weiterhin ausnutzen. Solange sich die elektronische Musik auf das Feiern konzentriert, ist ihr revolutionäres Potenzial nicht vorhanden. Hedonismus ist historisch nicht mit effektiven politischen Bewegungen verbunden. Der Klimawandel wird nicht dadurch gelöst, dass man seine Leber zum Schmelzen bringt. Von Hefe in der Flasche erwarte ich irrationalen Überschwang, aber der Mensch ist angeblich schlauer.

Zwischen 2004 und 2019 hast du keine Musik veröffentlicht und dich weitgehend aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Was hat dich motiviert, nach 15 Jahren Pause wieder Musik zu schreiben und live aufzutreten?

Ich habe eine Pause von der elektronischen Tanzmusik eingelegt, zum Teil wegen der Konkurse von EFA und Gigolo Records, aber auch, weil mein selbstgebauter Polymeter-Sequenzer veraltet war und meine Kreativität einschränkte. Während dieser Zeit komponierte ich weiter, trat auf und veröffentlichte Musik. Ich veröffentlichte Phasenmusik-Kompositionen, darunter Al Fasawz (2003), I‘ll Just Die If I Don‘t Get This Recipe (2005) und Plasmagon (2009). Außerdem brachte ich mir selbst Jazzklavier bei und trat in einem Jazztrio (The Enronettes) auf. 2014 entwickelte ich ein Meta-Instrument namens ChordEase, das die Improvisation zu Akkordwechseln er- leichtert, und setzte es in einer anderen Jazzband (Robogonzi) ein. Diese Band wurde nach meinem langjährigen Musiklehrer, dem Tenorsaxophonisten Jerry Bergonzi, benannt, weil ChordEase seine harmonischen Systeme automatisierte. In der Zwischenzeit eignete ich mir allmählich die notwendigen technischen Fähigkeiten an, um meinen Polymeter MIDI Sequencer für moderne Computer neu zu entwickeln. Mein Album Akoko Ajeji entstand parallel zu dieser Neu- entwicklung, beginnend im Jahr 2018. Mein neu entwickelter Sequenzer ermöglichte neue Kompositionstechniken, die motivierend und wesentlich für meine Veröffentlichungen nach 2019 waren.

Chris Korda spielt am Freitag, den 26. August, live in der Panorama Bar.

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