September 2020: Die essenziellen Alben
Chris Korda – Apologize to the Future (Perlon)
Man muss Chris Korda lassen, dass er etwas vom Musikmachen versteht. Im vergangenen Jahr hatte sich das auf Akoko Ajeji,
Kordas erstem Album für Perlon, in avanciert polymetrisch
programmierter Polyrhythmik niedergeschlagen. Ein großer Vorteil der
Platte war dabei, dass sie rein instrumental gehalten ist. Dafür hat Apologize to the Future, erneut auf Perlon,
umso mehr Wortbeiträge im Angebot. Ein hyperartifizieller, klinischer
Techno-Funk dient als Transportmittel für sechs Botschaften, die alle
auf denselben Gedanken hinauslaufen: „Thou shalt not procreate.” So das
Gebot der Church of Euthanasia, einer Sekte, die Korda 1992
gegründet hat. Als Kunstprojekt erstaunlich eindimensional und
monothematisch, wiederholt Korda auch diesmal unermüdlich das ironiefrei
vorgetragene Credo des Antinatalismus im Namen der Rettung des
Planeten. Dabei agiert er keineswegs naiv oder sonst wie unbedarft.
Allein die Empathie für Menschen, mithin die eigene Spezies, scheint
bemerkenswert gering ausgeprägt. „Spreading like a virus”, „Cells of
cancer / Killing their host”, lauten Kordas wenig originelle Bilder für
menschliches Verhalten. Und wenn er fordert: „Respect the future / Don’t
procreate / More mouths to feed / Is the last thing we need”, erinnert
das vegane Planetenrettungs-Ansinnen plötzlich stark an die
nationalsozialistische Phrase der „unnützen Fresser”. Wer sich davon
angesprochen fühlt, nun ja, fühlt sich davon vermutlich angesprochen.
Erfreulicherweise dauert die Sache bloß 29 Minuten. Und wer weiß, mit
der XR-Generation könnte Korda gleich eine ganze Reihe neuer Fans
hinzugewinnen. Tim Caspar Boehme
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