Golfender Donald Trump nebender Titanic
Chris Korda stellt beim Kölnischen Kunstverein erstmal in Deutschland aus und präsentiert auch ihre Techno-Musik
VON JAN STING
Motive der Titanic – mal auf hoher
See, mal havariert am Meeresgrund
— hängen neben dem golfspielenden
Donald Trump – oder auch
neben Putin mit nacktem Oberkörper.
Eine Reise in die Katastrophe
suggeriert der Kontext der digitalen
Bilder unter dem Titel „Overshoot“.
Die US-amerikanische Künstlerin
Chris Korda kommt in ihren Text-Bild-Collagen schnell auf den
Punkt. Übersetzen ließe sich ihre
Bildsprache mit „es ist eh fast zu
spät, warum also lange herumreden?“
übersetzen.
In der Ausstellung „Artist's
Con(tra)ception“ – ein Wortspiel,
das sich als künstlerisches Konzept
und künstlerische Empfängnisverhütung
deuten lässt — feiert Korda
beim Kölnischen Kunstverein nun
Premiere mit einer institutionellen
Ausstellung in Deutschland.
So klar wie unerbittlich ist ihre
Position: Die Überbevölkerung ist
ein Problem, die Entwicklungen
menschlicher Umweltzerstörung
sind irreversibel.
Traum führte zu Konsequenzen
Ein Traum liegt dem zugrunde, den
sie 1992 hatte. Eine außerirdische
Intelligenz behauptete darin, für die
Menschen in einer anderen Dimension
zu sprechen, und warnte vor
dem Zusammenbruch des Ökosystems
des Planeten Erde. Der Ausstieg
aus dem Genpool und vegane
Ernährung war für Korda bereits damals
die logische Konsequenz. Es
gelte die Grenzen des Wachstums
anzuerkennen und sich für die
Vielfältigkeit aller Arten einzusetzen.
Valérie Knoll, seit bald einem Jahr
Direktorin des Kunstvereins, stieß
auf Korda ursprünglich in
Zusammenhang mit Techno-Musik. In
ihrer Ausstellung arbeitete sie mit
der Akademie der Künste der Welt
und dem Plattenladen Kompakt
zusammen. Im Erdgeschoss können
die Platten über Kopfhörer gehört
werden. Dazu gibt es die kunstvollen
Cover, die Korda selbst gestaltet
hat.
„Sie ist außerdem Software-Entwicklerin
für Künstler und Musiker.
Seit 2016 zeigt sie auch selbst
Kunst“, so Knoll. Umstritten ist Kordas
Anfang der 1990er Jahregegründete
Religionsgemeinschaft
„Church of Euthanasia“, deren
Mitglieder sich dazu entschieden
haben, sich nicht fortzupflanzen. „In
den USA ist es schwieriger, eine
Partei zu gründen als eine Kirche“, sagt
Knoll. Korda habe zwar etwas von
einer Priesterin, überhöhe sich aber
nicht. Und: „Sie nimmt die Sprache
derer an, die sie attackiert.“
Die Ausstellung im Kunstverein
zeigt auch das Frühwerk. Zeichnungen
und Filzstiftbilder, die Anfang
der 1980er Jahre entstanden, als
Korda Musiktheorie studierte.
Gebäude sehen aus, wie mit der
Wärmebildkamera aufgenommen und
bereits damals kristallisierte sich
eine Richtung heraus, die Korda
konsequent verfolgte.
Heute erscheinen die meisten
Bilder am Bildschirm, laufen synchron
zur Musik. In den frühen Selbstporträts
ist Korda als junger Mann zu sehen,
unsicher in den Spiegel des
Waschsaals der Studentenunterkunft
schauend. Er begann Frauenkleider
zu tragen, an Transgender-
Paraden teilzunehmen und auch zu
fotografieren. Die Aufnahmen, die
Anfang der 1990er Jahre entstanden,
sind in Schwarz-Weiß gehalten
und außergewöhnlich scharf beobachtende
Porträts. Ganzaktuell sind
die mit KI bearbeiteten Selbstporträts
im Obergeschoss des Kunstvereins.
Mal schlüpft Korda in die Rolle der
Stummfilmschauspielerin Louise
Brooks, ist als Venus von Botticelli
zu sehen oder als Cyborg, einer
Mischung aus biologischem Organismus
und Maschine.
Bis 14. Juli. Di bis So, 11 – 18 Uhr,
Hahnenstr. 6.
Unter dem Titel „Overshoot“ zeigt Chris Korda Bildcollagen, die den ökologischen Raubbau der Menschheit ungeschönt offenlegen.
Foto: Thomas Brill
Im Plattenladen
Zum Ausstellungsrundgang
durch die Schau „Artist's
Con(tra)ception“ mit Chris Korda
lädet der Kölnische Kunstverein
am 12. Juni, 18 Uhr ein. Einen Tag
später, 19.30Uhr, ist die Künstlerin
im Kompakt Plattenladen in der
Werderstraße 15 zu Gast. Dort
werden auch ihre Platten vorgestellt
und diskutiert. Beide Veranstaltungen
sind in englischer
Sprache. (jan)
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